Henrik Walsdorff (as, perc)
Georg Boeßner (p)
Lars Gühlke (b)
Kay Lübke (dm)

Modern Urban Jazz:
INTRINSIC INVEST – YouTube

Intrinsic Invest klingt erdig, impulsiv, ehrlich, tiefschürfend, intensiv, auch mal schmutzig oder schnoddrig. Nach Freiem Spiel und Freiem Fall, nach Blues, manch einer sagt auch „nach Klängen von 1960 bis 2030“. Der gemeinsame Nenner musikalischer Quellen wird als Keimzelle für überwiegend eigenes Material genutzt. Im ungezwungenen und telepathischen Zusammenspiel der Band finden sich gelegentliche Anklänge aus den Atmosphären von Monk, Ellington oder Mingus.

Das Jazzquartett Intrinsic Invest mit einem feinsinnigen Spiel am Rhodes Piano zu Gast im Tif

Kassel – So einen gut bezahlten Mann trifft man nicht alle Tage. Schon gar nicht, wenn er auch noch in die Tasten greift. Nun ja, es war nur ein Scherz, als sich der Mainzer Pianist Georg Boeßner als „Aufsichtsratsvorsitzender eines panregionalen Konzerns“ vorstellte.

In der Reihe „Jazz im Tif“, die vom Förderverein Kasseler Jazzmusik präsentiert wird und mit hochkarätigen Konzerten lockt, spielte am Sonntag das Quartett Intrinsic Invest. Nach den launigen Worten Boeßners stand der gesamte Aufsichtsrat zur Verfügung: Henrik Walsdorff am Altsaxofon, Lars Gühlcke am Kontrabass und Kay Lübke am Schlagzeug.

Im eigenwilligen Bandnamen mag man einen Seitenhieb auf die Geschäfts- und Finanzwelt erkennen. Entscheidender war der musikalische Aspekt, und der bewegte sich auf hohem Niveau, wenn auch keineswegs so ironisch, wie der Name vermuten ließ. Die klangliche Prägung erfolgte durch die Wahl des Tasteninstruments: Boeßner zeigte sein Können am Rhodes Piano, das mit seinem glockenähnlichen Klang in der Ära von Fusion und Jazzrock populär wurde.

Wie eine Reise in die Sechziger- und Siebziger-Jahre wirkte das Eröffnungsstück „Dark Monk“: Zum brodelnden Groove zog das E-Piano dissonante Fäden, ein lapidar-sperriges Thema folgte. Doch das war nicht die einzige Stilrichtung, denn neben Eigenkompositionen gab es auch fremde Stücke, ironisch „Anleihen“ genannt. Eines davon: die Ballade „Goodbye Mr. Evans“ von Phil Woods, eine Hommage an die feinsinnige Piano-Ikone Bill Evans.

Das alles wurde von der Band in einem vorzüglichen Zusammenspiel dargeboten, wobei Schlagzeuger Lübke und Bassist Gühlcke ein energetisches Fundament legten. Von großer Ernsthaftigkeit war das Spiel des Saxofonisten Walsdorff: klarer, durchdringender Ton, abstrakte Lyrik, über weite Strecken bemerkenswert stoisch. Den in der Ankündigung formulierten Anspruch, auch impulsiv zu klingen, löste das Quartett vor allem im zweiten Teil des Abends fulminant ein. Da wagte es sich auch in freiere Gefilde vor, zumal in dem wild zerklüfteten, im Ausdruck zugespitzten Stück „No Way“, bei dem auch der Saxofonist aufdrehte und sein Instrument zum Quietschen brachte.

Schließlich gab es nach viel Applaus noch eine „Dividende“ für die 40 Gäste: die Zugabe des ergreifenden Songs „Throw It Away“ von Abbey Lincoln.

Quellenangabe: von Georg Pepl, Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte) vom 06.02.2024, Seite 34